Ge­schäfts­be­richt 2024

Di­gi­ta­li­sie­rung, Fach­kräf­te, Fi­nan­zen

2024 war ein intensives, herausforderndes und vielseitiges Jahr

Claraspital Organisation RC RH Teaser (1)

Rück­bli­ck auf das Jahr 2024

«Wir befinden uns in einer sehr anspruchsvollen Situation, in der letztlich die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und ihre Qualität auf dem Spiel stehen». 

Ein Gespräch mit Raymond Cron, Verwaltungsratspräsident des Claraspitals, und mit Rebekka Hatzung, Direktorin des Claraspitals.  

Herr Cron, Frau Hat­zung, wie wür­den Sie das Jahr 2024 in Be­zug auf das Claraspital be­schrei­ben?

RC: Arbeitsintensiv. Einerseits haben die Claraspital Mitarbeitenden eine grosse Zahl an Patientinnen und Patienten behandelt in der gewohnt hohen Qualität und nach dem Motto «in besten Händen». Andererseits waren wir mit Grossprojekten beschäftigt. Die Erneuerung unserer Endoskopie oder die neue Apotheke inkl. Zytostatikaproduktion sind Beispiele dafür, beides Projekte, die nun in die Realisierungsphase gehen. Ein weiteres Schlüsselprojekt für das Spital ist das neue Klinikinformationssystem ClaraKIS, das 2026 das bestehende KIS ablösen soll. Etwa 10 Prozent unserer Belegschaft sind in der Projektarbeit zum ClaraKIS involviert und viele Kolleginnen und Kollegen leisten darin sehr wertvolle Arbeit.

RH: Raymond Cron hat es bereits erwähnt: Wir konnten 2024 erneut ein Patientenwachstum verzeichnen –insbesondere haben wir noch mal mehr ambulante Patientinnen und Patienten behandeln dürfen. In einem finanziell sehr herausfordernden Umfeld ist es uns dabei gelungen, eine gute Leistung zu erbringen. Wie alle Spitäler leiden wir unter steigenden Kosten, die Tarifen gegenüberstehen, die bei Weitem nicht kostendeckend bzw. die zu tief sind.

Was war po­si­tiv im Jahr 2024?

RH: Wir konnten zwei Schlüsselpositionen neu besetzen, haben ein neues Geschäftsleitungsmitglied, Christian Schraner, Leiter IT- und Technologiemanagement (ITM), und haben mit Stefan Koller einen neuen HR-Leiter, gewonnen. Sehr positiv war ausserdem, dass wir die Fluktuation senken konnten und es uns gelungen ist, ein paar wichtige Digitalisierungsprojekte umzusetzen und einzuführen, z.B. unsere neue Website und die neue elektronische Zuweiserplattform ClaraPortal. Besonders freut mich, dass wir, auch wenn wir an der einen oder anderen Stelle deutlich effizienter arbeiten müssen, unsere sehr hohe Qualität halten konnten und keine Einbussen in der Patientenzufriedenheit verzeichnen. Vielen Dank allen Mitarbeitenden für diese grossartige Leistung.

RC: Dass wir in diesem sehr anspruchsvollen Umfeld nach wie vor in der Lage sind, unseren Auftrag zu erfüllen, und dass es uns gelungen ist, unsere Position als systemrelevantes Spital in der Nordwestschweiz zu behaupten.

Testimonial RC
«Das Claraspital eine EBITDAR-Marge von deutlich über 10% erwirtschaftet, und das ist im schweizweiten Quervergleich hervorragend.»
- Raymond Cron

Das The­ma Fach­kräf­te­man­gel hat die­ses Jahr für das Claraspital et­was an Bri­sanz ver­lo­ren. Ha­ben Sie eine Idee, wa­rum?

RH: Ich denke, dass sich einige Menschen in einer Zeit, die oft hektisch ist, in der ständig viel läuft und viel wechselt, gerne auf ein wertebasiertes, familiäres Umfeld zurückbesinnen. Was das Claraspital bietet, aufgrund seiner Grösse, aber auch, weil wir viel in unsere Unternehmenskultur und in Zusammenhalt investieren. Ein anderer Aspekt ist die Arbeitsplatzsicherheit. Die Arbeitnehmenden merken natürlich auch, dass Spitäler überall unter Druck kommen, dass weniger Stellen ausgeschrieben sind, dass das Umfeld deutlich weniger stabil ist. Da ist man weniger offen, sich auf etwas Neues, allenfalls Unsicheres einzulassen.

RC: Das sehe ich genauso. Zudem unsere Massnahmen positiv gewirkt haben und wir viele gute Mitarbeitende behalten konnten. Dank der geringeren Fluktuation haben wir übrigens den Anteil an Temporärpersonal massiv reduzieren können.

Was kon­kret un­ter­nim­mt das Claraspital, um die be­stehen­den Mit­ar­bei­ten­den zu hal­ten?

RH: Wir haben letztes Jahr unsere Löhne an den Markt anpassen können und müssen. Das ist ein wichtiger Faktor, das spürt man in der Rekrutierung. Wir haben eine interne und externe Kampagne unter dem Slogan «Alles Clara» gestartet. Und wir haben neue Formate ins Leben gerufen wie «ClaraCulture &Fun» und «ClaraRendezvous», Anlässe, bei denen sich Mitarbeitende über die Abteilungs- und Hierarchiegrenzen hinweg in ungezwungenem Rahmen kennenlernen, austauschen oder gemeinsam etwas unternehmen können.

Content GB24 Interview 2

Die chro­ni­sche Un­ter­fi­nan­zie­rung der Spi­tä­ler ist ein Dau­er­bren­ner. Auch das Claraspital weist wie­der­holt ein – wenn auch klei­nes – Mi­n­us in der Er­folgs­rech­nung auf. Was sind Ihre An­sät­ze bzw. Ihre Ant­wor­ten dar­auf?

RC: Es ist richtig, das Claraspital hat im Jahr 2024 erneut einen Verlust gemacht. Jedoch hat das Claraspital eine EBITDAR-Marge von deutlich über 10% erwirtschaftet, und das ist im schweizweiten Quervergleich hervorragend. Auf Stufe der Clara Gruppe resultiert darum kein Verlust, sondern ein Gewinn.

Um Ihre Frage zu beantworten: Wir brauchen höhere Tarife. Ohne diese wird sich noch lange, lange nichts ändern. Deshalb haben wir uns in den Tarifverhandlungen entsprechend engagiert und beispielsweise auch unsere ambulanten Tarife aufgekündet. Gleichzeitig müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Das bedeutet, wir müssen uns permanent hinterfragen: Haben wir die richtigen Prozesse? Sind sie effizient? Setzen wir Digitalisierungstools richtig ein, sodass wir bei möglichst tiefen Kosten möglichst effizient arbeiten können?

RH: Das ist so. Wir müssen unsere Prozesseffizienz erhöhen, das heisst, wir müssen mit gleich viel Personal mehr Patientinnen und Patienten behandeln. Dies gelingt nur, wenn wir unsere administrativen Prozesse weiter standardisieren und effizienter gestalten, zum Beispiel mit digitaler Unterstützung wie dem eingangs erwähnten Klinikinformationssystem ClaraKIS. Das Investment in digitale Grossprojekte ist deshalb wichtig. Ein weiteres Thema wird sein, unsere Kapazitäten möglichst gut zu managen und hoch frequentiert auszulasten. Damit wird es stehen und fallen. Nicht zuletzt müssen wir das Kostenbewusstsein unserer Mitarbeitenden stärken.

Testimonial RH
«Das Claraspital bietet ein familiäres Umfeld. Aufgrund seiner Grösse, aber auch, weil wir viel in unsere Unternehmenskultur, in Wertschätzung und Zusammenhalt investieren.»
- Rebekka Hatzung

Wo­hin be­we­gt sich das Ge­sund­heits­we­sen der Schweiz?

RH: Die Zahl der Leistungserbringer wird und muss sinken. Kooperationen werden an Bedeutung zunehmen müssen und die Qualität der Leistungserbringung im Gesundheitswesen droht insgesamt eher zu sinken.

RC: Ohne eine sinnvolle Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen seitens Bund und Kantone wird sich die Qualität im Schweizer Gesundheitswesen in den nächsten Jahren abwärts entwickeln. Die Spitäler müssen ihre unternehmerischen Hausaufgaben machen, das ist klar. Aber gleichzeitig braucht es eine faire Vergütung ihrer Leistungen. Diese ist heute nicht mehr sichergestellt. Solange die Leistungserbringer beispielsweise jeden Tarif einzeln aushandeln müssen, hinken diese automatisch immer zeitlich verzögert der Teuerung hinterher.

Der enorme Kostendruck führt dazu, dass man an der Qualität der Dienstleistungen schrauben muss. Damit steht letztlich die Qualität der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auf dem Spiel. Wenn im schweizerischen Gesundheitswesen, wenn im Claraspital, weiterhin auf dem heutigen hohen Qualitätsniveau Leistungen erbracht werden sollen, dann muss an der Tariffront etwas geschehen, sonst fahren wir das Schweizer Spitalwesen an die Wand. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits. 

Testimonial RC
«Wir müssen unsere Hausaufgaben machen, und das bedeutet, wir müssen uns permanent hinterfragen.»
- Raymond Cron

Wie ver­än­dert sich die Rol­le der Lei­stungs­er­brin­ger?

RH: Spitäler dürfen ihre Existenz nicht mehr einfach als gegeben ansehen. Man muss sich als Arbeitgeber mehr bewerben als auch schon. Man muss sich mit der Ambulantisierung auseinandersetzen, denn die kommt, ob man will oder nicht. Und man muss auf die externen Faktoren möglichst agil reagieren können.

Wel­che Ri­si­ken se­hen Sie für das Claraspital?

RH: Ich glaube, es wird schwierig oder zumindest sehr herausfordernd sein, dass die zunehmende Effizienz und der Kostendruck nicht als Verlust der Kultur verstanden werden. Wir müssen unser menschliches Miteinander aufrechterhalten und trotzdem an manchen Stellschrauben Dinge ändern, die vielleicht zunächst nicht so leicht zu akzeptieren sind.

RC: Natürlich sind wir auch nicht gefeit davor, dass Schlüsselpersonen sich plötzlich anders orientieren. Von daher bleibt unsere Arbeitgeberattraktivität wichtig, Wir haben in den letzten Jahren grosse Summen in die Modernisierung unserer Infrastruktur investiert und haben heute ein topmodernes Spital. Künftig müssen wir unsere Investitionsprogramme so dimensionieren, dass die jährlichen Investitionssummen langfristig tragbar bleiben.

Testimonial RH
«Wir müssen unsere menschliche, familiäre Kultur aufrechterhalten und trotzdem an manchen Stellschrauben Dinge ändern, die vielleicht zunächst nicht so leicht zu akzeptieren sind»
- Rebekka Hatzung

Wie sieht die ak­tu­el­le Lage der Toch­ter­in­sti­tu­tio­nen des Cla­ra­spi­tals aus?

RH: Clarunis - universitäres Bauchzentrum Basel entwickelt sich gut und hat sich in der Viszeralchirurgie, im Bereich der hochspezialisierten Bauchmedizin, zu einem schweizweit führenden Zentrum entwickelt. Die Gastroenterologie verzeichnet eine sehr hohe Nachfrage und steigende Fallzahlen.

RC: In der St. Clara Forschung wird an vielen Projekten gearbeitet, die auch eine hohe mediale Aufmerksamkeit erhalten. Zudem wurden zwei Forschungsgruppenleiter/innen, Bettina Wölnerhanssen und Arnoud Templeton, zu Professoren befördert. Das ist sehr erfreulich und wir gratulieren den beiden Kollegen/innen herzlich.

Das Begegnungszentrum CURA erfreut sich weiterhin eines stetig steigenden Zulaufs von Besucherinnen und Besuchern. Wie schon im 2023 mit dem Prix Schappo hat CURA auch im vergangenen Jahr wieder einen Preis gewonnen, und zwar den Preis für sozialen Zusammenhalt der Christoph Merian Stiftung. Gleichzeitig steht aber auch CURA als rein spendenfinanzierte Institution vor grossen Herausforderungen, was die Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung dieses hervorragenden und beliebten Angebots angeht.

Zur fi­nan­zi­el­len Lage der Spi­tä­ler

  • Die durch die Teuerung von über 7 Prozent in den Jahren 2022/2023 verursachten Ertragseinbrüche sind durch die im heutigen System erfolgten normalen Tarifanpassungen mit im Schnitt plus 2 Prozent nicht aufholbar. Es braucht System-Anpassungen mit einem Teuerungsausgleich.
  • Die Ambulantisierung im Gefolge von EFAS wird ohne tarifliche Anpassungen nicht gelingen: Wenn die ambulanten Tarife wie bis heute unterdeckend bleiben, vergrössern sich die Fehlbeträge an den Häusern. Und weil dem so ist, haben Spitäler kein Interesse, mehr ambulante Behandlungen zu machen.
  • Neue Teuerungsschübe sind programmiert: Die Umsetzung Pflegeinitiative Phase II, wie sie der Bundesrat ohne Gegenfinanzierung vorschlägt, wird bei jedem grösseren Spital weitere zweistellige Millionenbeträge an jährlichen Mehrkosten verursachen.
  • Die Folge davon: Weitere millionenschwere Rettungs- und Subventionsaktivitäten durch die Kantone zugunsten ihrer notleidenden Spitäler werden notwendig.

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Geschäftsbericht 2024
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